Herr Prof. Steinbach, was soll das TUM Center for Embodied Laboratory Intelligence (TUM ELI) leisten?
Aktuell sind die Prozesse in den experimentellen Laborwissenschaften noch wenig oder gar nicht automatisiert. Ein Drittel ihrer Zeit verbringen Wissenschaftler mit Laborexperimenten, also eher dem Abarbeiten von Aufgaben. Ziel im TUM ELI ist es, das Design und die Durchführung von Experimenten zu automatisieren. Eine „ELI-KI“ kommuniziert mit dem Forscher, überlegt sich Experimente und schlägt vor, wie sie fortgesetzt oder modifiziert werden sollen. Darin steckt das Potenzial für neue Lösungen, wie etwa neue DNA-Antriebe für den Wirkstofftransport im Körper. Es geht also zum einen um die Automatisierung von Laborprozessen, aber auch um die Generierung neuen Wissens durch künstliche Intelligenz. Dafür müssen neue Strukturen und neue Mechanismen entwickelt werden.
Das TUM ELI soll sich auf die Nano- und Mikrowelt konzentrieren. Warum?
Die Grundidee ist, dass kleinste robotische Strukturen sowohl Gegenstand der Forschung als auch Teil der Lösung sind. Wir stoßen hier in sehr spannende Dimensionen vor, die ganz neue Herausforderungen mit sich bringen. So können beispielsweise existierende Verfahren und Technologien für die Kommunikation oder die Informationsverarbeitung aus der Makrowelt nicht in die Nano- und Mikrowelt übertragen werden, hier braucht es völlig neue Lösungen. Die Forschungsaufgaben reichen von „intelligenten vernetzten Assistenten“ über die „kooperative Fabrikation von Nano- und Mikromaschinen“ bis hin zu „übergreifender Kommunikations- und Informationsverarbeitung“. Im TUM ELI werden beispielsweise künftig winzige Mikromaschinen entstehen, die in der Lage sind, sich im Menschen fortzubewegen und etwa Gewebepartikel herauszuschneiden und zu analysieren. Moderne Laborgeräte wie Rasterelektronenmikroskop und ein Nanodrucker werden zur Verfügung stehen, die künftig von Makrorobotern genutzt werden können. Hier denken wir vor allem an mobile Plattformen oder Cobots, die Forschenden Aufgaben abnehmen, wie etwa Proben einzuführen und zu mikroskopieren.
Sie sind Mitglied im Board of Directors vom MIRMI. Worin liegt der Vorteil für das MIRMI und auch über das MIRMI hinaus?
Das MIRMI verfügt bislang noch nicht über geeignete Räumlichkeiten und Ausstattung für die automatische Wissensgenerierung in den Laborwissenschaften. Dieser Experimentierraum wird mit dem TUM ELI nun geschaffen. Das ELI beherbergt nicht nur die Experimente, es ist das Experiment. Das MIRMI wird dadurch weitere Principle Investigators gewinnen und eine noch größere Bandbreite an Themen abdecken. Das TUM ELI ist als „shared facility“ gedacht und soll sich zu einem Zentrum für Spitzenforschung entwickeln und Wissenschaftler aus der ganzen Welt anlocken.
Fast Facts
Das 10-Jahres-Ziel ist, den Prozess der Wissensgenerierung in den experimentellen Laborwissenschaften am Beispiel von Nano- und Mikromaschinen mittels intelligenter und kooperativer Multi-Skalen-Robotik zu revolutionieren. Zentrale wissenschaftliche Fragestellung ist, wie skalenübergreifende Analyse- und Syntheseprozesse durch intelligente robotische Laborassistenten, die Versuche selbständig planen, modifizieren und evaluieren, massiv beschleunigt werden können. Ziel ist, dass diese robotischen Systeme im Verbund untereinander und mit dem Menschen maximale Effizienz entfalten. Durch die standortübergreifende Zusammenarbeit und die Verzahnung international führender Wissenschaftler:innen in den Bereichen Robotik und maschinelles Lernen (Prof. Sami Haddadin, Prof. Angela Schoellig), Kommunikation und Computing (Prof. Holger Boche, Prof. Wolfgang Kellerer), Perzeption und Mensch-Roboter-Interaktion (Prof. Sandra Hirche, Prof. Eckehard Steinbach) sowie Nano- und Mikromaschinen (Prof. Berna Özkale Edelmann, Prof. Hendrik Dietz, Prof. Friedrich Simmel) entwickelt das TUM ELI eine integrative, interdisziplinäre Arbeitskultur als Keimzelle für eine neue Qualität des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Förderung: Nach Empfehlung zur Förderung von Forschungsbauten (2024) sind 51 Millionen Euro für das TUM ELI vorgesehen. Neben dem TUM ELI sind fünf weitere Forschungsbauten für 2024 empfohlen worden, darunter in Hinsicht auf KI das Center for AI-based Real-time Medical Diagnostics and Therapy (CARE-MED) in Erlangen. Auf der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) Ende Juni wird endgültig über die Förderung entschieden, sie gilt jedoch als sicher.
Bau und Beschäftigung: Der Bau des TUM ELI soll 2024 starten und 2028 abgeschlossen werden. Etwa 70 bis 80 Personen, darunter 50 bis 60 Forschende sollen in dem neuen Gebäude beschäftigt werden, das in Garching entstehen soll.
Das Wissenschaftsministerium hat bereits über die Empfehlung für das TUM ELI berichtet: