Herr Prof. Lilienthal, Sie sind seit Juli 2022 Professor an der TUM. Welche Themen decken Sie in Ihrem neuen Lehrstuhl ab?
Ich werde mich primär mit drei Themen beschäftigen, dem Riechsinn von Robotern im Kontext von Umwelt und Nachhaltigkeit, mit mobilen, fahrenden Robotern und der Frage, wie sie sicher und effizient speziell in industriellen Umgebungen navigieren können sowie dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), speziell wie KI auf vorhandenem Domänenwissen aufbauen kann anstatt es immer wieder neu lernen zu müssen.
Wofür sind riechende Roboter gut?
Diese Roboter reagieren auf Gase und sind in der Lage, etwa Methan, Kohlenmonoxid und andere giftige Gase zu erkennen. In einer Mine in Kiruna in Schweden beispielsweise wurden unter Tage dieselbetriebene Arbeitsmaschinen auf E-Betrieb umgestellt. Dafür sind sehr schwere leistungsstarke Batterien nötig. Um früh zu erkennen, wenn sie heiß laufen oder gar in Brand geraten, haben unsere Roboter Sensoren, die giftige Gase wahrnehmen. Zudem wollen wir mithilfe von „Gasbots“ Geothermiequellen finden. Dafür zeichnen wir Gaskarten von der Oberfläche. Aus der Verteilung der detektierten Gase lässt sich herausfinden, wo sich geeignete Standorte für Geothermiebohrungen befinden. Langfristig ist es unser Ziel, das Messen und Kartieren zu automatisieren und einer künstlichen Intelligenz die Interpretation der Daten zu übergeben. Einem Roboter das Riechen beizubringen, ist nicht einfach. Der Roboter muss präzise lokalisiert werden können, wir müssen die Daten der Sensoren interpretieren, maschinelles Lernen einsetzen, Signale zuverlässig übertragen und nicht zuletzt die Physik der Gasausbreitung in die Interpretation mit einbringen. Mit dem Riechsinn für Roboter deckt das Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI) neben dem Sehen und dem Fühlen künftig einen weiteren menschlichen Sinn ab und wird immer mehr zum „Center of the Senses“.
Zudem beschäftigen Sie sich an der TUM mit mobilen, fahrenden Robotern …
Hierfür ist die Perzeption der Ausgangspunkt, also die präzise Wahrnehmung der Umgebung, damit ein Roboter letztlich sicher und effizient navigieren kann. Ein wichtiges Anwendungsfeld sind industrielle Umgebungen, ein sehr dynamisches Umfeld, besonders wenn der Einsatzort etwa ein Warenlager ist, das historisch gewachsen ist und nicht von Beginn für die Automation gedacht wurde. An der Universität in Örebro haben wir uns in der Forschung ganz bewusst für ein „semi-kontrolliertes Umfeld“ entschieden, in dem die Fahrzeuge langsamer als etwa Autos unterwegs sind und Änderungen eingeführt werden können, die dem Roboter Teilaufgaben erleichtern können. Um hochzuverlässige Lokalisierung zu garantieren, lassen sich etwa Muster auf dem Boden anbringen. Wären wir direkt in den Straßenverkehr gegangen, hätten wir zu viele Herausforderungen auf einmal gehabt. Nun nutzen wir unser Erkenntnisse für den Einsatz in Fabriken – und natürlich auch im MIRMI-Leuchtturmprojekt KI.Fabrik.
Welche Rolle spielt die künstliche Intelligenz in Ihren Forschungen?
In meiner Forschung kommt KI immer dort zum Einsatz, wo Abhängigkeiten bestehen, die sich ohne KI nur schwer modellieren lassen. Hierbei versuche ich mit meiner Gruppe und in Zusammenarbeit mit der DLR besonders datensparsame und zuverlässige Ansätze zu entwickeln, bei denen KI auf vorhandenem Domänenwissen aufbaut. Ein riechender Roboter sollte zum Beispiel die partiellen Differentialgleichungen aus der Physik „kennen“, die die die Ausbreitung von Gasen beschreiben. Damit lässt sich dann, wie im Beispiel der Suche nach guten Geothermiequellen recht zuverlässig automatisiert herausfinden, wo man als nächstes messen sollte.
Ein anderes Beispiel ist die Blickbewegungsverfolgung. Will etwa ein Roboter durch eine Menschenmasse gehen, ohne ständig mit jemandem zusammenzustoßen, hilft es, dass er die Blickrichtung der Personen analysiert. Auf dieser Basis kann er entscheiden, welchen Weg er einschlägt. Es gibt bereits Start-ups, die eine entsprechende Technologie entwickeln. KI nimmt dabei eine wichtige Rolle ein, sowohl bei der Blickverfolgung als auch bei der Interpretation einer Blicksequenz.
Sie sind einer der weltweit führenden Professoren für riechende Roboter und nun von der Universität Örebro zur TUM gewechselt. Was reizt Sie besonders an der TUM?
In Örebro gab es etwa 80 bis 90 Experten, die sich mit KI und Robotik beschäftigt haben. Das war eine starke Einheit, allerdings gab es neben uns „nur“ noch Umweltchemiker, die international kompetitiv arbeiten. Für einen interdisziplinären Austausch etwa mit Physikern oder Mathematikern war es immer nötig, sich Kooperationspartner aus anderen Universitäten zu suchen. Ich freue mich bei der TUM auf den lehrstuhlübergreifenden Austausch innerhalb der Organisation. Das ist ja auch eines der Markenzeichen des integrierten Instituts MIRMI, diesen interdisziplinären Austausch zu fördern. Mein großes Ziel ist, eine Art „Robot Olfaction CERN“ in München zu etablieren, ein Hightech-Labor für Riechsinn in der Robotik als Anlaufstation für Wissenschaftsteams aus aller Welt, die sich mit diesem Thema beschäftigen.
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