Luis, Geriatronik ist ein noch junger Begriff in der Wissenschaft. Was verbirgt sich dahinter?
Geriatronik ist ein neuer Begriff, der den Einsatz von Robotik und Mechatronik in der Geriatrie und Gerontologie beschreibt. Die Bevölkerung wird immer älter, gleichzeitig mangelt es zunehmend an angemessener Gesundheitsversorgung, um diese Menschen angemessen zu betreuen. Deshalb bringen wir als Wissenschaftler die Robotik, künstliche Intelligenz und State-of-the-art-Technologie ein, um alten Menschen so lang wie möglich ein unabhängiges Leben zu ermöglichen. Geriatronik hilft alten Menschen besonders in drei Bereichen – in der Gesundheit etwa in der Rehabilitation, in der Kommunikation etwa mit dem Arzt und im Alltag. Im Fokus stehen die so genannten Third Ager, Menschen, die älter als 65 Jahre sind und sich damit in der dritten Lebensphase befinden. Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) wird im Jahr 2025 weltweit gesehen jeder Vierte zu dieser Gruppe gehören. Nicht zuletzt deswegen liegt im EU-Förderprogramm Horizon 2021-2027 auch ein Schwerpunkt auf demographischen Veränderungen und die Forderung des Einsatzes von Assistenzsystemen für die Altenpflege. Das sollte als Weckruf verstanden werden, der besonders an die Adresse der Forscher verschiedenster Bereiche gerichtet ist.
Das MIRMI engagiert sich hier, unter anderem mit den Projekten X und Y. Was ist der Unterschied?
Abdeldjallil: Im Projekt X geht es darum, die Kerntechnologie zu entwickeln und zu integrieren, nötige Verbindungen herzustellen und die Technologie in einem Real-World-Szenario ans Laufen zu bringen. Partner sind hier sehr wichtig: So erstellt das Deutsche Museum technologische Evaluationen und Nutzerstudien für die Ausbildung und die Partnerunternehmen TQ Systems und Franka Emika unterstützen uns, die Hardware und nötigen Technologien sowie Interfaces zu entwickeln. Im Projekt Y geht es zum einen darum, Szenarien für innovative humanoide Serviceroboter zu entwickeln und zum anderen neue Robotik-Hardware wie Exoskelette und menschenähnliche Roboter zu schaffen. In Verbidung mit unserer Kerntechnologie können wir so in völlig neue Forschungsbereiche vorstoßen. Schon heute setzen wir die Technologie in einem „futuristischen Apartment“ ein, in dem wir evaluieren, wie das Leben von alten Menschen im Alltag mit Unterstützung durch unsere Technologie funktionieren kann und was wir noch verbessern sollten. Wir entwickeln uns schrittweise von kontrollierten und von Menschen separierten Szenarien hin zur engen Interaktion mit den Maschinen. Letztlich ist es ein symbiotisches Konzept, in dem das eine das andere Projekt unterstützt.
Der erste Geriatronics Summit startet nächsten Montag. Was soll er leisten?
Luis: Es gibt primär vier Gründe, warum diese Konferenz nun endlich zum ersten Mal stattfinden wird. Die Geriatronik ist aktuell eines der wichtigsten Themen in der Robotik – und wird es auch noch lange bleiben (I.). Allerdings ist der Forschungsbereich noch recht neu. Deshalb ist es wichtig, Experten aus Forschung und Industrie zusammenzubringen, um neue Perspektiven und Ideen zu teilen und zu diskutieren (II.). Hinzu kommt, dass unsere Forschungen auch immer Hand in Hand gehen müssen mit den Entwicklungen in der Gesellschaft und deren ethischen Vorstellungen. Deshalb sind Regulation und Ethik weitere wichtige Themen, die auf unserem Kongress adressiert werden (III.). Zudem freuen wir uns darauf, unsere neue Generation von Forschern – die Doktoranden und Masterstudenten – mit weltweit führenden Forschern auf diesem Gebiet bekannt zu machen und ihr Interesse für das Thema zu wecken (IV.).
Viele Forschungsbereiche sind an den Forschungen beteiligt …
Abdeldjallil: Interdisziplinäre Forscher aus der Robotik, Ethik, den Sozialwissenschaften, der Psychologie, Medizin und dem Gesundheitswesen arbeiten aktuell daran. Nur in einem solchen Ansatz können wir unsere Technologie näher an die Gesellschaft rücken und letztlich in einem realistischen Szenario mit Menschen zum Einsatz bringen. Dazu brauchen wir die Gesundheitsdienstleister, die Krankenschwester, die Ärzte, Mechaniker, sowie medizinische, juristische und ethische Fachkreise. Klar ist doch: Wir können nicht einfach assistierende Robotiklösungen entwickeln, für die Ethiker nachher kein grünes Licht geben können. Genauso wenig macht es Sinn, derartige technische Lösungen zu entwickeln, die sich im klinischen Alltag für den Arzt als zu kompliziert herausstellen. Letztlich ist es der kürzere – und beste - Weg, von Beginn an alle Stakeholder und Forscher aus unterschiedlichen Bereichen einzubeziehen.