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Von Cobots zu taktilen Robotern: So wird die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) sicherer

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Sie heißen LWR iisy, LWR iiwa, Yu+, UR 5e oder schlicht „Robo“: Alles im Labor von Robin Kirschner in Garching-Hochbrück dreht sich um Roboterarme, unter anderem von Kuka, Yuanda Robotics, Universal Robotics oder Franka Emika. „Ich kenne kein Labor, dass mehr Roboterarme testet als wir“, sagt Robin Kirschner, Doktorandin im Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI). Ihr Thema: Dafür sorgen, dass die Cobots niemanden verletzen.

Foto: Schmitz, 2023

Robin, vor knapp einem Jahr hat ein Roboter in Russland ein Kind in einer Schachpartie einen Finger gebrochen. Der Roboterarm griff versehentlich nicht die Schachfigur, sondern einen Finger des Jungen. Könnte so etwas auch mit Deinen Roboterarmen passieren?

Wir versuchen alles zu tun, um so etwas zu vermeiden. Unsere Roboterarme sind anders als der Roboterarm, der die Schachfiguren bewegt hat, taktil. Sie spüren, wenn ein Hindernis im Weg ist. In unseren Forschungen beschäftigen wir uns damit, herauszufinden, wie groß die Kraft sein darf, die aufgebracht wird und zu verstehen, ob das Modell eines Roboterarms, über das die Kraft abgeschätzt wird, gut genug ist, um Kontaktkräfte exakt zu regulieren und Verletzungen zu vermeiden. Für ein Vergleich der Systeme  setzen wir Testprozedere und Aufbauten ein, mit denen wir diverse Roboterarme von unterschiedlichen Herstellern testen können. Diese Benchmarks können dann beispielsweise in unserem Forschungsprojekt SafeRoBAY zur Sicherheit von Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) genutzt werden, um biomechanisch sichere und effiziente MRK zu ermöglichen.

Neue Metriken: Wie gefühlvoll ist ein Roboter?

Wie sieht das dann praktisch aus?

Aktuell haben wir beispielsweise an diesem Roboterarm von Kuka eine Kugel angebracht, die auf eine Messplatte mit einer definierten Kraft drückt. Ein Kraftregler gibt dem Roboter die benötigten Motordrehmomente vor, um eine gewünschte Kraft zu erreichen und Drehmomentsensoren, die in jedem der sieben Gelenke verbaut sind, sollen ihm helfen, die tatsächlich entstehende Kraft zu schätzen. Meine Frage ist: Geben wir eine gewisse Kraft in das System hinein, kommt sie dann auch unten an? Durch die Sensorik und den Regler gibt es viele Faktoren, die beeinflussen, wie genau die tatsächliche Kraft der gewünschten entspricht. Der Kraftverlauf ändert sich je nachdem, welche Oberfläche gewählt wird, auf die der Roboter drückt. Eine harte Aluminium-Messplatte hat etwa ganz andere Charakteristika als eine flexible Gummiunterlage. Diese Einflussfaktoren versuche ich in meiner Doktorarbeit über ein „Grundset an Metriken zur Roboter-Taktilität“ zu beschreiben und in ein Modell zu übertragen, das es mir erlaubt, die Performance der Kraftreglung von Roboterarmen abzuschätzen. Um dann herauszufinden, ob es mit den Robotersystemen, die in unseren Benchmark-Tests hohe Taktilität aufweisen, überhaupt noch zu Verletzungen in der MRK kommen kann, nutzen wir sowohl genormte Testgeräte, als auch biomechanische Verletzungstests im Rahmen des SafeRoBAY Projekts. Insgesamt ergibt sich daraus ein Grundmetrikset für die Taktilität des Roboters und ein Werkzeug zur Vorhersage der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen für MRK – unsere große Formel für die sichere Kraftreglung in der Robotik.  

Worin unterscheiden sich die Roboterarme?

Die Handhabung, Mechanik und Regelung sind sehr unterschiedlich. Man spürt das bereits, wenn man den Roboter per Hand führt. Die Roboterarme von Kuka und Franka beispielsweise, die die hohe Taktilität aufweisen, sind sehr leichtgängig, andere weniger. Zudem haben wir in Untersuchungen herausgefunden, dass die Gefahr von Verletzungen in MRK, die beispielsweise von den Franka-Emika-Robotern ausgeht, sehr gering ist. Aktuell haben  wir ein Set an 26 Metriken zur Verfügung, das wir nutzen können, um die Unterschiede in der Taktilität und Sicherheit der Robotersysteme zu quantifizieren. Hier sind wir inzwischen recht versiert, so dass auch schon erste Industriekunden ihre Roboterarme durch uns testen lassen.

Ausgewählte Veröffentlichungen von Robin Kirschner

Manual Maneuverability: Metrics for Analysing and Benchmarking Kinesthetic Robot Guidance, 2022
Towards a Reference Framework for Tactile Robot Performance and Safety Benchmarking, 2021