MIRMI Aktuelles
Triumph in Abu Dhabi: TUM-Team gewinnt die Autonomous Racing League (A2RL)
NEWS |

Die Zukunft des autonomen Rennens
Über eine Woche lang, mit maximal vier Stunden Schlaf pro Nacht und einem klaren Ziel vor Augen: das autonome Rennen gewinnen. Das 19-köpfige TUM-Team aus Deutschland sowie drei Mechaniker aus Malaysia und den Philippinen verbindet eine Leidenschaft: schnelle, laute und, in diesem Fall, autonome Rennautos. In Abu Dhabi kommen sie beim Rennformat A2RL zusammen. Elf Teams aus zehn Nationen treten an, dazu ein besonderes Duell: ein Exhibition-Rennen gegen Ex-Formel-1-Pilot Daniil Kvyat.
Vor dem Hauptrennen finden mehrere Testtage statt. Zu Beginn will das TUM-Team jedoch noch nicht alles zeigen. Das Fahrzeug beschleunigt zurückhaltend – obwohl es bis zu 250 km/h schaffen kann. Die Teammitglieder sitzen in einem der Paddocks, der riesigen Garagen, umgeben von dem Knacken des Motors auf der einen und dem Summen der Rechner auf der anderen Seite. Vor ihnen Bildschirme, auf denen Algorithmen rattern und die Strecke analysiert wird. „Die größte technische Herausforderung im autonomen Rennsport ist die Komplexität. Man muss Sensoren, Lokalisierung, die Vorhersage des Verhaltens und der Bewegung der Fahrzeuge sowie Fahrwegplanung und Regelungstechnik integrieren – also die gesamte Technologie zu einem System zusammenführen“, erklärt Prof. Markus Lienkamp.
Genau diese Aufgabe versucht die TUM zu meistern – durch die enge Zusammenarbeit mehrerer Lehrstühle: dem Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik (Prof. Markus Lienkamp), dem Lehrstuhl für Regelungstechnik (Prof. Boris Lohmann), dem Lehrstuhl für Autonome Fahrzeugsysteme (Prof. Johannes Betz) sowie Instituten wie TUM MIRMI. Mit an Bord sind 14 Doktoranden, eine Doktorandin und drei Masterstudierende.
A2RL, die Abu Dhabi Autonomous Racing League, ist die größte Veranstaltung ihrer Art. „Dieses Projekt bedeutet der TUM sehr viel, weil wir unsere Forschung demonstrieren, Innovation aus Deutschland zeigen und auf internationaler Ebene mit anderen Universitäten konkurrieren können“, sagt Prof. Johannes Betz. Seit Jahren tüfteln die Forschenden an KI-gestützten Strategien und bereiten sich auf genau diesen Tag vor. „Die größte Herausforderung besteht derzeit darin, menschenähnliches Verhalten zu erreichen: so schnell zu sein wie ein Mensch, wie ein Mensch zu agieren und letztlich wie ein Mensch konkurrieren zu können“, so Betz.
Man vs. Machine
Dann ist es so weit: Das erste Rennen beginnt. Im „Man vs. Machine“-Duell tritt das TUM-Fahrzeug gegen den ehemaligen Formel-1-Fahrer Daniil Kvyat an. Während Kvyat bereits im Cockpit sitzt, bereiten die Mechaniker Sukun Ahmad Ismail aus Malaysia, auf der Strecke nur „Botak“ genannt, sowie Giovanni Dellomes, „Gio“, aus den Philippinen und ein weiterer Kollege das autonome Fahrzeug in rasanter Geschwindigkeit vor. Das Auto wird angehoben, die Reifenheizdecken abgenommen, die Räder montiert. Eine Warnleuchte über dem Fahrzeug blinkt: Sobald sie dauerhaft leuchtet, muss die Strecke menschenfrei sein – zu gefährlich für alle Beteiligten. Nur Kvyat darf bleiben.
Der menschliche Fahrer startet mit zehn Sekunden Abstand hinter dem autonomen TUM-Fahrzeug „Hailey“. Schnell holt er auf. Seine beste Runde: 57,57 Sekunden. Hailey erreicht 59,1 Sekunden – eine Zeit, die für eine Formel-1-Qualifikation gereicht hätte. „Unsere Leistung war beeindruckend, hat uns aber gleichzeitig gezeigt, dass wir noch eine gewisse Lücke zur menschlichen Spitzenleistungsfähigkeit haben. Aber genau deshalb sind wir hier: Wir wollen lernen, wir wollen erforschen, wozu die Algorithmen aktuell in der Lage sind und uns dann für die Zukunft verbessern,“ sagt Simon Sagmeister, Teamleiter des TUM Autonomous Motorsport.
Machine vs. Machine
Kurze Zeit später beginnt das Grand Finale: Elf Teams waren angetreten, doch nur sechs Fahrzeuge schafften den Sprung ins Finale. Ein KI-Duell Kopf an Kopf, vor allem gegen das Team Unimore aus Modena, Italien. Die beiden Gruppen sitzen sich im Paddock gegenüber, während die Spannung steigt. Nach Runde zwei gelingt es Unimore, die TUM links zu überholen. Auf der italienischen Seite bricht Jubel aus, doch nur kurz. Hailey verkürzt den Abstand auf 30 Meter, versucht über mehrere Runden, Überholmanöver einzuleiten. Die Forschenden warten auf den perfekten Moment, einen Moment, den die Software noch nicht optimal erkennt. In Runde neun liegen die Fahrzeuge nur noch wenige Meter auseinander. Dann treffen beide auf den Letztplatzierten, der sehr langsam fährt und nicht reagiert. Unimore kann nicht ausweichen – es kommt zur Kollision. Hailey hingegen zieht an der Kurveninnenseite vorbei und entgeht einem Schaden.
Von nun an führt die TUM das Feld souverän an. Mit einer Bestzeit von 58,1 Sekunden gewinnt Hailey – und mit ihr das gesamte TUM-Team.
“Mit diesem Sieg setzt die TUM ein starkes Zeichen für die Zukunft des autonomen Rennsports”, sagt Prof. Lienkamp.
Text: Sarra Chaouch-Şimşek