Welches Potenzial in der Pflege-Assistenzrobotik steckt, zeigen diese fünf Highlights der Geriatronik-Forschung aus dem Jahr 2024.
Seit über fünf Jahren wird am Campus der TU München in Garmisch-Partenkirchen im Bereich der Geriatronik geforscht. Allen voran steht Pflegeassistenzroboter GARMI. Er soll sich zum All-in-one-Helfer entwickeln und später Pflegekräften assistieren. Von einfachen Hol- und Bringdiensten über den möglichen physiotherapeutischen Einsatz bei der Rehabilitation von Patienten bis hin zu telemedizinischen Anwendungen wie Ultraschall ist in GARMIs Repertoire bereits vieles enthalten.
Wer wissen möchte, wie viel Wissenschaft in den einzelnen Fähigkeiten von GARMI steckt, der wirft einen Blick auf die Publikationen der beteiligten Forschenden. Im vergangenen Halbjahr 2024 stechen hier vor allem die Präsentationen auf der internationalen Robotik-Konferenz IROS heraus, die Mitte Oktober des Jahres in Abu Dhabi stattfand. Sie zeigen, mit welchen Details sich die Gesamtentwicklung des Robotik-Allrounders beschäftigt. Dabei ist die Messlatte dafür immer das zwingend zu erfüllende Kriterium der Sicherheit sowie der Effizienz in der Anwendung:
1. Roboteraufgaben in dynamischen Umgebungen erfordern Präzision und Sicherheit
Die Forschenden Seongjin Bien, Abdeldjallil Naceri, Luis Figueredo und Sami Haddadin haben ein neues Framework entwickelt, das es Robotern ermöglicht, Hindernisse präzise zu vermeiden – auch während laufender Aufgaben wie Objektbehandlung oder Fernsteuerung. Unter dem Titel Generierung von Kraftvektoren aus projizierten, abgeschnittenen Vorzeichendistanzfeldern zur Kollisionsvermeidung und haptischem Feedback kombiniert dieser fortschrittliche Ansatz 3D-Mapping mit kraftbasiertem Feedback. Das hilft GARMI dabei, nahe Objekte zu erkennen und seine Bewegungen daran reibungslos anzupassen. Durch die präzise Erfassung der Objektformen ohne komplexe Verarbeitung verbessert das System die Fähigkeit des Roboters, Aufgaben in überfüllten oder dynamischen Umgebungen auszuführen. Getestet wurde diese Technologie erfolgreich in realen Szenarien, einschließlich einer Teleoperationsumgebung, in der Benutzer Roboter aus der Ferne steuern und gleichzeitig realistisches haptisches Feedback erhalten. Diese Entwicklung verbessert die Leistung von GARMI insbesondere bei jenen Aufgaben, die von Ärzten als Fernanwender von GARMI Präzision erfordern. Gleichzeitig ebnet sie den Weg für sicherere, intelligentere Roboter in der Gesundheitsversorgung, in der Industrie und in anderen Bereichen.
2. Wie ein Exoskelett für die oberen Gliedmaße die intuitive Fernsteuerung eines Avatars mit ferngesteuerten Robotern ermöglicht
Um Ärzte und Pflegekräfte später optimal unterstützen zu können, widmeten sich die Forschenden Moein Forouhar, Hamid Sadeghian, Daniel Pérez-Suay, Abdeldjallil Naceri, und Sami Haddadin dem Design eines Exoskeletts, das die Interaktion von Fachkräften mit Assistenzrobotern wie GARMI revolutionieren soll. Unter dem Titel Ein taktiles Leichtbau-Exoskelett für die Teleoperation: Design und Steuerungsleistung bietet das System nicht nur potenzielle Tragbarkeit und taktile Reaktionsfähigkeit, sondern verfügt auch über ein voll aktuiertes Schultergelenk sowie Sensoren, die die Interaktionskräfte direkt messen. Diese Fortschritte ermöglichen es den Benutzern des Exoskeletts, GARMI mit natürlichen, reibungslosen Bewegungen zu steuern. Damit wird sichergestellt, dass der Roboter bei Aufgaben, die hohe Präzision erfordern, sicher und effizient arbeitet. Fortschrittliche Steuerungsstrategien gewährleisten, dass sich das Exoskelett perfekt an die Befehle des Benutzers anpasst, was den Komfort erhöht und den Aufwand reduziert. Mit seiner Fähigkeit, sich nahtlos in die Gesundheits- und Pflegeumgebung zu integrieren, wird dieses Exoskelett die Bedienung von Robotern wie GARMI einfacher und intuitiver denn je machen.
3. Menschliche Fähigkeiten als Modell zur Übertragung auf Roboter
Zhelin Yang, Seongjin Bien, Simone Nertinger, Abdeldjallil Naceri und Sami Haddadin haben es sich zum Ziel gesetzt, Robotern beizubringen, sich wie Menschen zu bewegen, um uns eine bessere Zusammenarbeit mit ihnen zu ermöglichen. Unter dem Titel Ein Optimierungsbasiertes Schema für die Echtzeitübertragung menschlicher Armbewegungen auf den Roboterarm haben sie ein System entwickelt, das es Robotern erlaubt, menschliche Bewegungen in Echtzeit nachzuahmen. Dieser Durchbruch ermöglicht es dem Roboter, Armbewegungen des Menschen mit Präzision zu replizieren, wodurch seine Handlungen intuitiv und natürlich werden. Durch die Verwendung fortschrittlicher Optimierungstechniken sorgt das System für eine genaue Bewegungsübertragung und erhält dabei menschenähnliche Bewegungsmuster. Das Nützliche daran: Diese Technologie verbindet sich nahtlos mit GARMIs hochmodernem Exoskelett-Interface, welches es – wie unter Punkt 2 beschrieben - Ärzten, Pflegekräften und anderen Fachkräften ermöglicht, den Roboter mühelos zu steuern. Die Kombination aus intuitivem Bewegungs-Targeting und reaktionsschneller Exoskelett-Steuerung ebnet damit den Weg für effektivere und benutzerfreundlichere robotergestützte Pflege- und Serviceanwendungen. Damit ist wieder ein Schritt mehr in Richtung Anwendbarkeit getan.
4. Sichere Fernsteuerung eines Roboter-Avatars trotz unzuverlässiger Internetverbindung?
Die Lösung des Problems: Um die Steuerung von Robotern mit intelligenteren Kommunikationssystemen zu verbessern, haben die Forschenden Xiao Chen, Youssef Michel, Hamid Sadeghian, Abdeldjallil Naceri und Sami Haddadin einen neuen Ansatz gewählt. Sie zeigen unter dem Titel Netzwerkbewusste geteilte Autonomie in bilateraler Teleoperation, wie man die Leistung von ferngesteuerten Robotern wie GARMI insbesondere in Umgebungen mit instabilen Internetverbindungen verbessern kann. Gemeinsam haben sie ein System entwickelt, das das Maß an Autonomie basierend auf der Qualität des Kommunikationsnetzwerks anpasst, um eine reibungslosere und effizientere Steuerung zu gewährleisten, selbst bei Verzögerungen oder Unterbrechungen. Der Clou: Durch das Modell der geteilten Autonomie ermöglicht es das System dem Roboter, Aufgaben dann autonom zu übernehmen, wenn es erforderlich ist, während der menschliche Steuerer dennoch die Kontrolle behält. Diese Methode hat durch Benutzerstudien bestätigt, dass sie die Leistung erheblich steigert und die Teleoperation zuverlässiger und effektiver macht, selbst unter schwierigen Netzwerkbedingungen. Dieser Durchbruch ist definitiv ein Schritt nach vorne, um robotergestützte Pflege- und Serviceaufgaben in Zukunft effizienter und benutzerfreundlicher zu gestalten.
5. Wie digitale Zwillinge dem Roboter Lernen ermöglichen
Forschende begegnen nicht nur in der Geriatronik der ständigen Herausforderung, Robotern etwas Neues beizubringen. Dr. Abdeldjallil Naceri befasste sich bei seinem Workshop-Vortrag auf der IROS 2024 mit der Frage, wie neue Fähigkeiten für eine sichere Interaktion über digitale Zwillinge von Menschen auf Roboter übertragen werden können. Für GARMI bedeutet dies beispielsweise die Fähigkeit, eine Aufgabe wie Greifen mit der notwendigen Anpassungsfähigkeit und Sicherheit auszuführen, während sein digitaler Zwilling dabei Echtzeitüberwachung und das Erlernen von Interaktionsstrategien ermöglicht. Zusätzlich sorgt bei GARMI ein Datenrekorder für die sichere Verwaltung von Patientendaten, optimiert die Leistung und berücksichtigt dabei selbstverständlich den Datenschutz. Dieser innovative Ansatz unter dem Titel Variables Impedanz-Lernen und -Steuerung: Herausforderungen meistern, Chancen erkunden und die Zukunft gestalten zielt darauf ab, bei der Betreuung von Senioren durch fortschrittliche Robotik und KI personalisierte, menschenähnliche Unterstützung deutliche Verbesserungen zu erzielen.