Herr Prof. Masia, Sie werden in diesem Jahr zum ersten Mal beim Geriatronics Summit sein und dort eine Diskussionsrunde moderieren. Was verbindet Sie mit dem Thema?
Ich beschäftige mich unter anderem mit Robotik für die Rehabilitation. Also etwa damit, Menschen mit Hilfe von kollaborierenden Robotern beim Laufen zu unterstützen. Die von meinem Forschendenteam entwickelten Exosuits zum Beispiel ermöglichen Menschen, mit einem geringeren Krafteinsatz zu laufen. Dafür tragen sie einen breiten Gürtel um die Hüfte, der über zwei dünne reißfeste Seile mit zwei fest am Oberschenkel angebrachten Manschetten verbunden ist. Im etwa drei Kilogramm schweren Gürtel befinden sich zwei Motoren, die die Oberschenkelmuskeln des Menschen unterstützen. Auf einem 1,2 Kilometer langen Teilstück des Philosophenwegs in Heidelberg konnten wir nachweisen, dass der Stoffwechsel bei Probanden mit dem Exosuit um etwa 20 Prozent sinkt. Wir können so beispielsweise Menschen helfen, denen es etwa aufgrund einer degenerativen Erkrankung schwerfällt, zu laufen und sich zu bewegen. Wir setzen robotische Anwendungen ein, um Menschen zu helfen, die in ihrer Bewegung durch eine Erkrankung oder durchs Alter eingeschränkt sind. Letztlich sollen unsere Exosuits leisten, was ein E-Bike für viele Menschen heute schon tut. Viele nutzen es, um weiter und höher mit dem Rad fahren zu können, aber ohne mehr Kraft dafür aufwenden zu müssen. Im Kontext der Geriatrie geht es um Menschen, die aufgrund des Alters in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind. Trotzdem wollen sie wandern gehen, ohne dass sie jemanden an ihrer Seite haben. Es soll selbstverständlich sein. Unsere Exosuits können das leisten. Und wenn sie erst industriell hergestellt werden, kann sie sich auch jeder leisten.
Sie moderieren eine Diskussionsrunde um Herausforderungen von Robotik im Gesundheitswesen. Welche Herausforderungen sehen Sie?
Es gibt einige Herausforderungen in diesem Forschungsfeld.
- Dazu gehört die Regulation in der Europäischen Union. Ich war selbst in den USA und in Asien tätig, wo sehr wohl auch auf den Schutz von Patientinnen und Patienten geachtet wird. Auch wenn wir vielleicht nicht China als Beispiel nennen sollten, wie es laufen sollte: Aber hier wird einfach zu viel reguliert und meiner Erfahrung nach sehr viel Dokumentation etwa von der Ehikkommission oder Regulatoren eingefordert. Das führt dazu, dass Forschende von hier nach Übersee und Fernost abwandern.
- Zudem wichtig ist, dass die Technologie akzeptiert wird, von Patientinnen und Patienten und dem medizinischen Personal gleichermaßen. Dafür ist es nötig, dass spezialisiertes Personal für den Umgang mit gezielten robotischen Anwendungen geschult wird, vielleicht sogar schon in der Universität. Wir sollten die Stärke von robotischen Systemen zum Beispiel in der Rehabilitation nutzen, deren Messungen präziser und zuverlässiger sein können als die des Menschen. In der medizinischen Bildgebung wird das seit Jahren ja auch gemacht. Für die Aufnahmen gibt es spezialisiertes Personal, die Analyse und Deutung der Bilder übernimmt die Ärztin oder der Arzt.
- Künstliche Intelligenz ist ein zusätzliches Instrument, das die menschliche Intelligenz unterstützen kann. Dessen Potenzial muss genutzt werden. Auch in der Rehabilitation kann die KI helfen, auf Basis von Big Data zu prognostizieren, wie sich der Rehabilitationsprozess entwickeln wird. Es geht auch hier darum, die Fähigkeiten des Menschen ein Stück weit zu erweitern.
Was erwarten Sie sich vom Geriatronics Summit?
Das Besondere am Geriatronics Summit ist, dass er dort stattfindet, wo dessen Vision entstanden ist. Mit dem Campus, der in ein paar Jahren eröffnet werden soll, entwickelt sich Garmisch-Partenkirchen gerade zum „Place of Excellence“ für Robotik in der Pflege. Es sieht ganz so aus, als ob hier nicht nur eine neue Marke entsteht, sondern auch eine wissenschaftliche Expertise, die außergewöhnlich ist und die immer mit dem Ziel verbunden ist, die Lebensqualität der Menschen zu steigern.
Weitere Informationen zum Geriatronics Summit 2024
geriatronics.mirmi.tum.de/en/geriatronics-summit-2024/
Interview: Andreas Schmitz