Tahar, Du bist seit diesem Jahr Doktorand bei Prof. Michael Gee und damit am Leichtturmprojekt „Digitaler Herz-OP“ des Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI) beteiligt. Worum geht es dabei?
Schon im Säuglingsalter werden Herzfehler entdeckt, die für den Menschen schwere Konsequenzen haben können. Recht häufig ist die Fallot-Teralogie, die etwa sechs bis sieben Prozent der angeborenen Herzfehler ausmacht. Dabei bringt ein Loch in der Herzscheidewand den Blutfluss im Herzen durcheinander. Bei Patienten mit diesem angeborenen Herzfehler ist der Ausfluss aus der rechten Herzkammer (Ventrikel) verengt. Das rechte Herz wird zu dick – es hypertrophiert –, es entsteht eine Verengung (Stenose) und der Ausfluss des Blutes wird behindert. Eine Operation wird nötig, in der das Loch mit einem Gewebeflicken (Patch) verschlossen und die Verengung der Pulmonalklappe behoben wird. Patienten, die das Erwachsenenalter erreichen, entwickeln häufig Insuffizienzen des rechten und/oder linken Ventrikels sowie weitere Komplikationen. Da diese Patienten stark abweichende Herzgeometrien und -funktionen aufweisen können, und die Eigenschaften des Blutkreislaufs erheblich vom Durchschnitt abweichen können, wird ein spezieller digitaler Zwilling für Patienten im Erwachsenenalter eingesetzt.
Du hast Maschinenbau studiert. Inwiefern kannst Du hier die Mediziner unterstützen?
Schon vor einigen Jahren haben Kollegen damit begonnen, einen digitalen Zwilling des Herzens und Kreislaufsystems zu entwickeln, das immer mehr verfeinert wurde. Heute nutzen wir das so genannte Cardiac-MRI, also Schnittbilder des Herzens mithilfe von Magnetresonanztomographie, um diese Modelle weiterzuentwickeln und auf Patienten mit Fallot-Teralogie anzupassen. Pro Herzschlag haben wir 20 Aufnahmen zur Verfügung, aus denen wir über „Segmentierungsprozesse“ jeweils ein dreidimensionales digitales Abbild des Herzens erstellen und visualisieren. Um das Modell zu kalibrieren und damit auf den jeweiligen Patienten abzustimmen, ist es nötig, die Flussmessung des Blutes sowie Drücke aus verschiedenen Regionen des Herzens und der Gefäße mit einzubeziehen. Ein digitaler Zwilling des Herzens entsteht. Mein Spezialgebiet in meinem Maschinenbaustudium „numerische Mechanik“ und mein Spezialgebiet während meines Masters, die Modellreduktion, kommt mir hierbei sehr zu Hilfe. Denn diese Methode trägt dazu bei, Berechnungen effizienter und damit Simulationen überhaupt möglich zu machen. Und klar ist auch: Das Herz folgt mechanischen Grundsätzen, denn seine Funktion besteht darin, Blut durch ein Netzwerk an Gefäßen zu pumpen. Mechanische Kenntnisse sind also für den digitalen Zwilling essentiell.
Was ist das Ziel Deiner Doktorarbeit?
Die Kalibrierung der Modelle eines Patienten ist die Voraussetzung für einen präzisen digitalen Zwilling und ein wesentlicher Teil meiner Doktorarbeit. Das ist nur mithilfe des individuellen Blutflusses und -druckes sowie der Drücke im Gefäßsystem des Patienten möglich, die noch präziser werden müssen. Letztlich ist es wichtig, ihn zur Kontrolle vor und nach Operationen einzusetzen, um auf einen Blick zu sehen, wie erfolgreich die Operation gewesen ist und was sich in dem mechanischen Zustand und damit der Gesundheit des Herzens verändert und verbessert hat. Zudem liefert das Modell über die Vorhersage der Blutflüsse und -drücke sowie der Spannungen und Verzerrungen im Herzmuskel den Ärzt:innen über Computermodelle weitere wertvolle Einsichten, um die Herzfunktion bewerten zu können. Das Modell ist heute noch nicht einsatzbereit. Es muss noch präziser werden und ich hoffe sehr, dass es uns in den nächsten Jahren gelingt, einen praxistauglichen digitalen Zwilling des Herzens entwickeln zu können.
Weitere Informationen